Zum Tod von Werner Franke Doping-Aufklärer und Mann klarer Worte
Werner Franke war der bedeutendste Doping-Aufklärer in Deutschland, es ging ihm vor allem auch um die Sportbetrüger im Hintergrund - ein Nachruf.
Er war einer der bekanntesten Doping-Aufklärer und ein Mann der klaren Worte: Der weltweit renommierte Krebsforscher und Anti-Doping-Experte Werner Franke aus Heidelberg ist am Montagabend im Alter von 82 Jahren an den Folgen einer Hirnblutung verstorben, wie seine Familie bestätigte.
Mehr als fünf Jahrzehnte hatte sich der mit zahlreichen internationalen Wissenschaftspreisen ausgezeichnete Professor für Zell- und Molekularbiologie zusammen mit seiner aus Dankmarshausen bei Eisenach stammenden Frau, Brigitte Berendonk, der Aufklärung von Dopingmachenschaften im nationalen und internationalen Sport gewidmet.
Standardwerk "Doping-Dokumente"
Im Jahr 1991 veröffentlichten beide das Standardwerk "Doping-Dokumente. Von der Forschung zum Betrug", in dem sie das systematische Doping in der DDR, aber auch in der Bundesrepublik, maßgeblich mit aufdeckten. In der Militärmedizinischen Akademie der Nationalen Volksarmee der DDR im brandenburgischen Bad Saarow gelang es dem Ehepaar Franke-Berendonk nach dem Mauerfall, wichtige streng geheime Dopingakten vor der Vernichtung zu bewahren und international zugänglich zu machen.
Besonders die Vergabe von männlichen Sexualhormonen an Mädchen und junge Frauen kritisierte Franke "als menschenverachtend und schweres Verbrechen". Auch die Mitverantwortung des Anabolika-Herstellers "VEB Jenapharm" in Jena sowie beteiligter Wissenschaftler und Mediziner am kriminellen DDR-Staatsdopingsystem hatte er offengelegt.
Im Jahr 2004 wurde das Ehepaar für seine großen Verdienste mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Franke hatte wegen seiner konsequenten Aufklärungsarbeit in Reihen der Sportfunktionäre, Mediziner und Politiker viele Gegner, wurde oft verklagt, konnte jedoch die juristischen Verfahren meistens gewinnen.
Strafanzeige gegen Verantwortliche des DDR-Staatsdopings
Werner Franke war es auch, der bereits 1991 Strafanzeige gegen Verantwortliche des DDR-Staatsdopings stellte, woraufhin viele Täter bis hin zum langjährigen DDR-Sportchef Manfred Ewald und dem leitenden Sportmediziner Manfred Höppner vor Gericht verurteilt wurden.
Franke brachte auch mehrere West-Doper vor Gericht. Ein Beispiel dafür ist der einstige Leichtathletik-Bundestrainer Heinz-Jochen Spilker, der 1994 wegen des "Inverkehrbringens von Anabolika" bei seinen Sprinterinnen in Hamm/Westfalen verurteilt wurde. Der studierte Jurist Spilker wagte nach dem Mauerfall einen beruflichen Neuanfang in Erfurt, wo er einst mit Ansgard Schmidt, dem Vater und Komplizen des 2021 wegen jahrelangen Blutdopings verurteilten Dopingarztes Mark Schmidt, eine Anwaltskanzlei führte. "Deutsche Doping-Wiedervereinigung" nannte Franke "die Erfurter Doping-Zentrale".
Franke war immer als Mann der klaren Worte bekannt: Das im Dezember 2015 in Kraft getretene deutsche Anti-Doping-Gesetz hielt Franke für "eine lügenhafte Verarschung des deutschen Volkes". Er hatte lange zuvor darauf hingewiesen, dass in Deutschland das Verschwiegenheitsrecht - auch von Doping-Medizinern generell in Anspruch genommen - ein Unding sei. Selbst das für den Sport zuständige Bundesinnenministerium habe seit den siebziger Jahren Doping-Mediziner geschützt.
Kritik am geringen Wissensstand der Sportmediziner
Franke wies immer wieder auf den geringen Wissensstand der Sportmediziner hin, auch etwa von einstigen Doping-Professoren wie Armin Klümper und Joseph Keul von der Universität Freiburg. Franke hatte auch Belege für das Doping beim einst prominentesten deutschen Radrennstall Team Telekom um Jan Ullrich und Kollegen vor Gericht vorgelegt.
Zu den mit Anabolika zustande gekommenen Leichtathletik-Rekorden von DDR-Sportstars wie Marlies Göhr, Marita Koch, Heike Drechsler, Ulf Timmermann und weiteren sagte Franke: "Das ist alles eine verbrecherische Farce und wahrlich keine Orientierung für die heutige Leichtathletik-Jugend." Zudem kritisierte er den Doping-Opfer-Hilfe-Verein, den er einst mitbegründet hatte. Der Verein würde seiner Ansicht nach unwissenschaftlich arbeiten.
NADA als "zahnloser Tiger"
Die Nationale Anti-Doping-Agentur hielt Franke für einen "zahnlosen Tiger", deren fachliche Kompetenz er in Frage stellte. Aber auch den Sportjournalismus kritisierte er des öfteren heftig. Etliche Journalistinnen und Journalisten hätten über viele Jahre durch übertriebene Jubel-Berichte und Wegschauen sowie unterlassenes Hinterfragen von außergewöhnichen sportlichen Leistungen "Betrug am Volk" begangen.
Am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg hatte Franke begonnen, ein weiteres öffentliches Doping-Archiv einzurichten mit vielen Prozessakten und wichtigen Dokumenten aus den vergangenen Jahrzehnten. Sein jahrelanges Wirken bilanzierte er so: "Als Wissenschaftler ist es meine Pflicht, auf Missstände hinzuweisen." Zum Dopingmittelmissbrauch erklärte er im Jahr 2020: "Heute wird aufgrund der etwas verbesserten Kontrollen zwar weniger und teils versteckter gedopt. Aber das Betrugspotenzial ist immer noch gewaltig."
Auch ein Buch über die betrügerischen Pharma-Manipulationen im Weltsport hatte er in Arbeit. In Zeiten einer weiter stark voranschreitenden Kommerzialisierung des Sports und immer verfeinerterer Dopingmethoden wird seine kritische Stimme nun fehlen. Werner Franke hinterlässt eine große Lücke, die kaum jemand schließen kann.